Plötzlich ist alles anders.

Plötzlich ist alles anders.

Wir veröffentlichen hier den Leitbeschluss der Landesvollversammlung am 25.10.2020

Die Corona-Pandemie hat uns vielen Plänen für das Jahr 2020 einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die bisherigen Veranstaltungen wie Landesvollversammlungen (LVV) oder Landesrat fanden als Online-Event statt, das Pfingst-Camp musste abgesagt werden. Und natürlich kann man eine LVV wie diese nicht stattfinden lassen, ohne politisch über die Auswirkungen dieser Pandemie zu sprechen. Über ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft, über die von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen, über die politischen Reaktionen von Teilen der Bevölkerung. Trotzdem ist uns klar, dass Corona nur als Brennglas verstanden werden kann, unter dem die wahren Probleme, vor die der Kapitalismus und seine politischen Stellvertreter*innen uns stellt, verdeutlicht werden. Der Ausverkauf des Gesundheitssystems, die Arbeitsbedingungen bei Kapitalist*innen wie Tönnies und Westfleisch, die skandalöse Unterbezahlung von pflegenden Berufen – Diese Missstände haben wir bereits vor Corona skandalisiert und werden es auch danach noch tun müssen. Und die Wirtschaftskrise, die medial meist mit der Corona-Krise gleichgesetzt wird, hat ihren Ursprung auch schon vor dem Ausbruch in Wuhan.

Wirtschaftskrise

In der allgemeinen Debatte wird der Virus als etwas Natürliches benannt. Etwas, das man nicht hätte vermeiden können, und etwas, das jeden Menschen gleich betrifft. Dass Zweiteres nicht stimmt, haben wir in verschiedenen Publikationen versucht, zu erklären: Das Einkommen entscheidet darüber, wie meine gesundheitliche Versorgung ist, wie mein Zugang zu Tests aussieht, und ob ich es mir leisten kann, mehrere Wochen zu Hause zu bleiben. Was während der Hochzeit der Pandemie zwischen April und Mai auf social media als romantisierter Umgang mit der Quarantäne galt, war für die meisten Menschen realitätsfremd. Vor allem für die, die in sogenannten „systemrelevanten Berufen“ ihr Geld verdienten.
Doch auch die als erstes vorangestellte Aussage ist falsch. Das Virus hat zwar einen biologischen Ursprung, doch es lässt sich nicht aus dem kapitalistischen System, in dem die Welt global strukturiert ist, ausklammern. Die Voraussetzungen, die Corona vorgefunden hat, waren für seine Verbreitung mehr als entgegenkommend – Die Art, wie der Kapitalismus mit der Natur, mit Massentierhaltung, mit den Lebensräumen von Wildtieren umgeht. Und nicht zuletzt natürlich die Art, wie chaotisch Maßnahmen eingeführt und nach Impfstoffen geforscht wird.

Die Pandemie verschärft die kapitalistischen Klassengegensätze – Menschen die nicht im Home-Office arbeiten können, die sog. „systemrelevanten Berufe“, die Kassierer*in, die Lieferant*innen und die Pfleger*innen, sind unmittelbar der Gefahr der Pandemie ausgesetzt und verdienen dafür einen deutlich höheren Lohn. Deshalb solidarisieren wir uns mit den Streiks im öffentlichen Dienst.
Besonders leiden im Kapitalismus immer die finanziell „schwächsten“. Während Großkonzerne auf Staatskosten gerettet wurden, hatten es Hartz-IV-Empfänger*innen noch schwerer als sonst. Die Tafeln waren geschlossen und die Supermärkte wurden leer gekauft, sodass nur noch teure Markenprodukte übrig waren.
Gleichzeitig wurden Mini-Jobber und Leiharbeiter*innen gekündigt. Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze waren kaum zu finden. Es ist ganz klar, dass Klassengegensätze durch die coronabezogene Wirtschaftskrise verstärkt werden. Die Bundes- und Landesregierung treten weiter nach unten und lehnen einen Pandemiezuschlag ab. Die Reichen werden immer reicher, während die Armen immer ärmer werden.

Für die Herrschenden kommt die Pandemie sehr gelegen. Sie täuscht darüber hinweg, dass die aktuelle Wirtschaftskrise eine weitere Auswirkung kapitalistischer Gesetzmäßigkeiten ist und durch Corona nur weiter befeuert wird. Nach der letzten Weltwirtschaftskrise 2007-2009 gab es einen kaum nennenswerten Aufschwung, der mit einigen Stagnationsjahren und kleinen Zwischenkrisen direkt in die nächste globale Krise mündete. Es bestätigt sich hier wieder die Krisenhaftigkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystems – Bereits mehr als 35 mal konnten wir seit Beginn des 19. Jahrhunderts beobachten, dass regelmäßig in fünf- bis zehnjährigen Zyklen die Weltwirschaft in Krisen kommt, unterbrochen von dazwischenliegenden Aufschwungs- und Abschwungsphasen. Und eine solche Krise kündigte sich schon seit Ende 2018 an.

An der Automobilindustrie, die in Deutschland einen großen Wirtschaftsanteil ausmacht, kann man einiges ablesen. Bereits 2016 begann da der Rückgang der deutschen Produktion, von 5,8 Millionen Autos auf 4,7 Millionen im Jahr 2019. Und auch weltweit zeigt sich diese Tendenz. Die gesamte industrielle Produktion der BRD, einschließlich des Bergbaus, musste bereits im Jahr 2019 ein negatives Wachstum erleben: Während das Wachstum bereits 2018 zurückging, lag es 2019 bei -4,8% im Vergleich zum Vorjahr.

Wenn man diesen Hintergrund betrachtet, hätte es in der Tendenz 2020 auch ohne die Corona-Pandemie eine weltweite Rezession gegeben. Nun ist der Ausgang unklar, doch was die Arbeiter*innen schon an der eigenen Haut spüren müssen, sind die ersten Konsequenzen, die die Bosse aus ihren Einbrüchen ziehen. Allein in NRW will Thyssen-Krupp, aller Voraussicht nach, 6000 Stellen streichen. Bayer spricht von 12.000 Arbeitsplätzen bis Ende 2021. Und durch die Übernahme von Karstadt durch Galeria Kaufhof werden ca. 5000 Personen ihren Job verlieren.
Insgesamt sind in NRW mehr als 25.000 Stellen offiziell akut bedroht, und im Laufe der durch die Pandemie verschlimmerten Krise wird das erst der Anfang sein. Im Juli hatten 42% der deutschen Unternehmen Kurzarbeit angemeldet, die meisten davon in der Industrie (57%). Die Zahl ist bisher nur geringfügig zurückgegangen. Der Verlauf bedroht ganz real die Existenzen von unzähligen Arbeiter*innen. Deshalb fordern wir eine Verstaatlichung der Schlüsselindustrien wie z.B. der Stahl-, Chemie- und Energieindustrie, unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten. Die Bundesregierung macht ihre Prioritäten währenddessen ganz klar: Mehrere bedingungslose Milliarden-Pakete gingen bereits an Unternehmen und Superreiche, ohne eine Arbeitsplatzgarantie zu fordern, während für die Mitarbeiter*innen in Pflege- und Krankenhausberufen insgesamt nur 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden. Auch in Krisenzeiten wollen SPD und CDU den Konzernen sagen: Auf Deutschland könnt ihr bauen, hier könnt ihr investieren.

Die große Frage nach dem Ende der Wirtschaftskrise wird sein: Wer soll das alles bezahlen? Das Corona Hilfspaket ist das größte in der Geschichte der Bundesrepublik mit einem Volumen von 353,3 Milliarden Euro bis jetzt. Das neoliberale und pro-kapitalistische Parteienkartell hat darauf eine Antwort gefunden: die Arbeiter*innenklasse. Unsere Antwort als sozialistischer Jugendverband kann darauf nur sein, dass die Kosten der Krise die Superreichen tragen sollen. Als sofortige Maßnahme fordern wir eine 50-prozentige Abgabe für alle Vermögen ab 50 Millionen Euro zur Finanzierung aller nötigen Kosten und zusätzlich die Einführung einer 10- prozentigen Millionärssteuer auf Vermögen. Steueroasen müssen trockengelegt werden: Dies würde EU-weit über 1.000 Milliarden Euro pro Jahr einbringen.
Klar ist für uns als radikaler, sozialistischer und antikapitalistischer Jugendverband kann es nur eine Antwort auf die Krise geben: Die Reichen müssen zahlen.

Corona

Die Verbreitung des Virus hatte aber auch Auswirkung auf die politische Landschaft in Deutschland. Angeführt von Personen der Öffentlichkeit wie Xavier Naidoo, Attila Hildmann oder Ken Jebsen haben Verschwörungstheorien einen ganz neuen Aufschwung bekommen. Dabei geht es erstmal um grundsätzliche Feststellungen: Die Welt ist ungerecht, die falschen Menschen haben aus den falschen Gründen Macht, die Bevölkerung wird verarscht. Dabei wird berechtigte Kritik am kapitalistischen System auf eine individuelle Kritik an Einzelpersonen, religiösen Gruppen oder Geheimbünden heruntergebrochen und damit für den Kapitalismus ungefährlich gemacht. Die Gründe, warum Menschen diesen Theorien folgen, sind sehr unterschiedlich, aber bei vielen drückt sich dadurch eine grundsätzliche Skepsis gegenüber der Regierung oder Kapitalist*innen wie Bill Gates oder Elon Musk aus. Sie sind dabei schädlich und nicht selten antisemitisch, erreichen aber in Krisenzeiten viele Menschen. Die Bilder, die wir mit der versuchten Reichstagsstürmung und Demos von mehreren zehntausend Teinehmer*innen ohne Einhaltung der Schutzmaßnahmen aus Berlin sehen konnten, machten das mehr als deutlich. Jetzt aber vom endgültigen Aufmarschieren der Rechten und von einem bundesweiten Rechtsruck zu sprechen, wäre falsch. Nach der ersten Demo der Corona- Leugner*innen und Verschwörungstheoretiker*innen Anfang August ergab eine Forsa-Umfrage, dass 91% der Befragten die Demos ablehnten, 87% glaubten, dass die Teilnehmenden nur eine Minderheit der Bevölkerung repräsentierten. Erstaunlich still verhält sich die linke Partei und Bewegung in diesem politischen Spannungsfeld. Der Gegenprotest in Berlin war verhältnismäßig klein. Zwar haben sich viele Genoss*innen sehr engagiert dafür eingesetzt, die berechtigte Enttäuschung und Skepsis gegenüber der Regierung von Verschwörungstheorien weg und hin zu einem Verständnis des Kapitalismus zu entwickeln, doch das Fehlen einer starken, bundesweiten linken Kraft hat dafür gesorgt, dass viel diffuse Wut und Verzweiflung nicht gegen die Richtigen kanalisiert werden konnte. Auch die Gewerkschaften, die sich größtenteils schon zu Beginn der Pandemie mit der Bundesregierung auf einen Burgfrieden geeinigt hatten, halten sich zurück. Während dort auf die Spitze kein Vertrauen ist, muss man diese Debatten konsequent in die Basis tragen.

DIE LINKE

Dass DIE LINKE nicht versucht, konsequente Antworten auf die offensichtlichen Fragen zu geben, liegt mit Sicherheit auch an den kommenden Wahlen. Auf dem kommenden Parteitag in Erfurt werden voraussichtlich die ideologischen Weichen für die Bundestagswahl 2021 gestellt. Lichtgestalten wie Gregor Gysi werden bereits seit Monaten aufgebaut und in Stellung gebracht, um Stimmung für eine rot-rot-grüne Bundesregierung zu machen und DIE LINKE als regierungsfähig ins Rennen zu schicken. Dabei wurden in den letzten Wochen sogenannte rote Haltelinien, an denen sich die Partei bislang mal mehr, mal weniger orientiert hat, massiv aufgeweicht. Die NATO-Mitgliedschaft, Auslandseinsätze der Bundeswehr, all das ist nach Gysi und seinen Mitstreiter*innen „verhandelbar“. Besonders Dietmar Bartsch fiel in diesem Kontext negativ auf. Zum Höhepunkt der Antirassismus-Proteste dieses Jahres forderte er mehr Anerkennung für die Polizei und versuchte mit seiner Aussage, dass man nicht alle Polizist*innen unter Generalverdacht stellen dürfe, eine Diskursverschiebung zu erreichen, weg von der Rolle der Polizei im Kapitalismus hin zu einer moralischen Argumentation darüber, ob einzelne Polizist*innen gute oder schlechte Menschen sind. Bei Ausbruch der Corona- Pandemie rief er ganz offen zur Unterstützung der Regierung auf. Eine solche Linke braucht kein Mensch!

Die Debatte über eine Regierungsbeteiligung der LINKEN wird im kommenden Jahr zu einer Zerreißprobe für die Partei werden. Wir als Jugendverband sollten eine klar linke Stellung dazu einnehmen. Eine solche „linke“ Regierung könnte erstmal auf Zustimmung der Massen stoßen, da sie sich davon reale Verbesserung erhoffen würden, was sich auch in Umfrage- und Wahlergebnissen niederschlagen könnte. Doch nach einiger Zeit würden die Menschen merken, dass auch DIE LINKE in der Regierung Abschiebungen, Sozialabbau und weitere Verschlechterungen für die Arbeiter*innenklasse mittragen wird. Denn in Wahrheit liegen all diese Faktoren gar nicht in ihrer Macht, sondern in denen der Kapitalist*innen und den Gesetzen des Wirtschaftssystems, in dem sie sich bewegen. DIE LINKE sollte, wenn sie den Anspruch einer Arbeiter*innenpartei glaubhaft machen möchte, kein Teil einer solchen Regierung sein, sondern konsequent in Opposition, in Bewegungen, in Betrieben und Gewerkschaften für einen linken Kurs kämpfen und das kapitalistische System aktiv herausfordern. Wenn sie selbst ein tragender Teil dieses Systems würde, macht sie sich in dieser Kritik unglaubwürdig in den Augen ihrer Wähler*innen. Um das zu verhindern, müssen wir uns als Jugendverband konsequent in die Debatte innerhalb der Partei einbringen und diese scharf führen.

Kommunalwahl

Am 13. September fand in NRW die Kommunalwahl statt. Als linksjugend [’solid] NRW intervenierten wir mit zahlreichen Materialien, mit Flyern und Plakaten in den Wahlkampf und bewarben auf unseren Social-Media-Kanälen Genoss*innen die für kommunale Mandate kandidierten. Die Ergebnisse für LINKE waren aber negativ. Es reicht nicht, die Wahlergebnisse auf die Corona-Krise zu reduzieren, auf die Schwierigkeiten des Wahlkampfs, schließlich konnten zum Beispiel die Grünen massiv an Stimmen gewinnen. Die LINKE hat es weder geschafft ihre Wähler*innen zu mobilisieren, noch neue Schichten zu gewinnen. Das Scheitern der LINKEN hat verschiedene Gründe.

Ein entscheidender Faktor bei den Ergebnissen zur Kommunalwahl ist die Wahrnehmung der LINKEN auf Bundesebene. Die LINKE hat es nicht geschafft während der Corona-Krise als starke Oppositions-Partei aufzutreten. Stattdessen wirkte es für alle als hätte die LINKE mit der Bundesregierung einen Burgfrieden geschlossen, weil man gemeinsam durch die Krise müsse. Aber die Schwere der Corona-Krise hat ihren Ursprung im kapitalistischen System und der Politik der etablierten Parteien. Die LINKE hätte die demokratische Kontrolle über die Corona-Maßnahmen, der Rekommunalisierung aller privatisierten Krankenhäuser, den Ausbau des Gesundheitssystem, der Sicherung von Jobs und Einkommen in den Mittelpunkt stellen sollen. Stattdessen erklärte zum Beispiel der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch, dass die LINKE die Politik der Bundesregierung unterstützt und jetzt nicht die Zeit für soziale Kämpfe sei. Ähnlich verhielt es sich bei den Black Lives Matter-Protesten oder den Ereignissen in Stuttgart, bei denen ein Teil der Parteiführung die Polizei in Schutz nahm. Dadurch konnte sich die LINKE nicht entscheidend von anderen Parteien abheben und offensiv als Kraft auftreten, die für soziale Gerechtigkeit und Gleichheit eintritt. Es stellt sich auch die Frage, ob die LINKE in den vergangen Jahren auf kommunaler Ebene überall als die Partei gesehen wurde, die den Stachel in die Wunde legt und sich für die Interessen der einfachen Menschen einsetzt oder als eine von vielen Mitverwaltern in den kommunalen Parlamenten.

Ein klarer sozialistischer und oppositioneller Kurs ist kein Garant dafür, dass automatisch die Ergebnisse bei der nächsten Wahl besser werden, aber es bietet die Möglichkeit die LINKE in der Klasse zu verankern und die Basis für kommende Kämpfe zu legen. Wir müssen die Lehren aus den Ergebnissen des Wahlkampfes ziehen und die Genoss*innen, die wir während der Wahlkampagne gewonnen haben in unsere Arbeit integrieren.

Landesparteitag

Eine Woche nach der Kommunalwahl folgte der Landesparteitag der LINKEN in NRW. Schon im Vorhinein zeichnete sich ab, dass dies ein kontroverser Landesparteitag wird. In den vergangenen Jahren schaffte es der Landesvorstand nicht, arbeitsfähig aufzutreten und größere Kampagnen zu organisieren. Das lag unter anderem an dem Konflikt zwischen dem linken Flügel auf der einen Seite und dem Reformer- und Wagenknecht-Lager auf der anderen Seite, welcher die gemeinsame Arbeit blockierten.

Doch leider blieben die notwendigen Diskussionen auf dem Landesparteitag aus. Viele Delegierte bezeichneten den Landesparteitag als einen der unpolitischsten Parteitage, auf denen sie je waren. Immer wieder wurde davon gesprochen “Die Reihen zu schließen”, aber eine wirkliche Aussprache fand nicht statt. Auch das schlechte Ergebnis der Kommunalwahl wurde nicht ausgewertet. Bei den Wahlen zum Landesvorstand konnte sich der Reformerflügel durchsetzen, der in den Diskussionen immer wieder den linken Flügel scharf angriff. Leider schaffte es der linke Flügel nicht offensiv seine Positionen zu präsentieren und Delegierte für sich zu gewinnen, obwohl das Ergebnis zur Wahl des Landesvorsitzenden zeigte, dass es Unmut unter den Mitgliedern gibt.

Wir müssen weiter im Landesverband für einen klaren sozialistischen Kurs kämpfen und als linksjugend [’solid] durch unsere Arbeit und unseren Aufbau zeigen. Unsere Genossin Kira wurde als Jugendpolitische Sprecherin in den Landesvorstand gewählt. Das gibt uns eine gute Möglichkeit unsere Positionen in die LINKE in NRW zu tragen, in einen stärkeren Austausch mit der Partei zu treten und uns zu vernetzen.

Bewegungen

Gleichzeitig ist die LINKE nicht unser einziges Aufgabenfeld. In den letzten Wochen und Monaten sehen wir vermehrt Proteste. Der Mord an George Floyd durch einen Polizisten in den USA war der Tropfen, der das Fass aus Wut auf Polizeigewalt und Rassismus gegen Schwarze und andere Minderheiten zum Überlaufen gebracht hat. Doch anders, als es deutsche Medien gerne dargestellt haben, sind diese Probleme nicht auf die USA begrenzt, sondern weltweit und auch in Deutschland weit verbreitet. Daher wurden auch weltweit Demonstrationen organisiert, um auf diese Thematik aufmerksam zu machen. Verschiedene Basisgruppen der linksjugend [’solid] haben dazu beigetragen, Proteste durchzuführen und eine sozialistische Rassismus-Analyse anzubieten. In weiten Teilen der Bewegung herrschen identitätspolitische Ansätze vor. Das bedeutet, dass unterschiedliche Unterdrückungsformen getrennt voneinander betrachtet werden und die Identifikation mit der eigenen unterdrückten Minderheit Ausgangspunkt für die Politik ist und nicht die Zugehörigkeit der Klassengesellschaft. Dennoch ist dies für viele Menschen ein logischer und wichtiger Schritt im Politisierungsprozess und wir können sehen, dass antikapitalistische Forderungen gut aufgenommen wurden. Unsere Aufgabe wird es auch weiterhin sein, mit Betroffenen und solidarischen Menschen über die Notwendigkeit eines sozialistischen Programms zur Bekämpfung von Rassismus zu sprechen.

Erneut kam es in diesem Jahr zu Demonstrationen gegen RWE im Rahmen von Ende Gelände-Protesten und Aktionen des Bündnisses „Alle Dörfer bleiben“. Als Landesverband haben wir uns wiederholt an den Protesten beteiligt und klargemacht, dass der Kapitalismus Grund des Übels ist und dieser nur überwunden werden kann, wenn die Klimabewegung ihre Proteste mit der sozialen Frage Verknüpft, um die Beschäftigten zu erreichen. Gleichzeitig ist es auch Aufgabe der Gewerkschaften, das Thema Umwelt in ihren Fokus zu rücken. In einigen Städten unterstützten unsere Genoss*innen außerdem die Students for Future und organisierten Proteste mit Busfahrer*innen, womit ein wichtiger Schritt in die Richtung getan wurde, soziale und ökologische Forderungen miteinander zu verbinden.

In Berlin kam es kürzlich zu Streiks der Kolleg*innen der CFM, einer Tochter der Charité. Ziel ist ein Anschluss an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Obwohl die Charité in Landeseigentum ist, droht das Management mit Entlassungen im Bereich des Transports, der für den Streik bedeutend ist. Der rot-rot-grüne Senat bleibt bislang untätig. Dieser Fall zeigt noch einmal, dass sich die LINKE unglaubwürdig macht, wenn sie sich an Regierungen beteiligt und sie arbeiter*innenfeindliche Politik von SPD und Grünen mitträgt. Aber auch der gesamte öffentliche Dienst ist unterfinanziert. Bei den diesjährigen Tarifrunden setzt ver.di sinnvollerweise einen Schwerpunkt auf Pflegekräfte, da ihre gesellschaftliche Anerkennung momentan besonders hoch und ihre Arbeitsbedingungen besonders schlecht sind. Anstatt diese Situation aber für weitreichende Forderungen zu nutzen, geht ver.di schon vor Beginn der Verhandlungen nur mit Minimalforderungen ins Rennen und Begründet das mit einer angeblich schlechten Ausgangslage für die Verhandlungen. Dadurch sinkt die Motivation der Kolleg*innen, aktiv zu werden, da sie mit dem gleichen Aufwand auch für höhere Forderungen kämpfen könnten. Unsere Aufgabe muss es daher sein, in den Gewerkschaften für einen kämpferischen Kurs zu werben.

Internationales

Auch weltweit bewegt sich Einiges. Die Beziehungen zwischen der NATO und Russland werden immer angespannter. Und auch der Konflikt zwischen China und den USA um den Titel als stärkste Wirtschaftsmacht weltweit spitzt sich immer weiter zu. Nachdem Ende letzten Jahres chinesische Botschafter aus den USA ausgewiesen wurden, nachdem sie in einer Militärbasis spioniert haben sollen, wurden dieses Jahr Generalkonsulate des jeweils anderen Staates in den USA und in China geschlossen. Seitens der USA wird oftmals die Menschenrechtslage in China als Argument für ihre aggressive Politik ins Feld geführt. So kam es in der Vergangenheit zu Beschlüssen des US-Senats, die sich mit der Demokratiebewegung in Hongkong und der Unabhängigkeitsbewegung der Uigur*innen solidarisieren. Als Sozialist*innen unterstützen wir das Recht auf nationale Selbstbestimmung aller Völker ebenso wie Proteste gegen den Abbau demokratischer Rechte und haben als Landesverband in der Vergangenheit entsprechende Beschlüsse gefasst. Es muss uns aber klar sein, dass die USA kein Verbündeter im Kampf für die Befreiung der chinesischen Arbeiter*innenklasse und der unterdrückten Völker sein kann und dass die USA und andere kapitalistische und imperialistische Kräfte mit ihren Solidaritätserklärungen eigennützige Ziele verfolgen, was man unter anderem daran erkennt, dass es auch in den USA nationale Minderheiten gibt, denen grundlegende Rechte wie das Wahlrecht nicht zugestanden werden, von nationaler Selbstbestimmung ganz zu schweigen.

Im Libanon kam es kürzlich zu Massenprotesten, nachdem eine Explosion im Hafen von Beirut die Stadt erschütterte, bei der mindestens 190 Menschen getötet und 6500 verletzt wurden. Etwa eine halbe Millionen Menschen wurde wohnungslos. Hinzu kommen die Langzeitschäden. Aufgrund des vollständig zerstörten Hafens wird es in naher Zukunft nicht mehr möglich sein, genügend Lebensmittel und Medizin zu importieren. Hungersnöte und die schnelle Verbreitung von Krankheiten werden die Folgen für das ohnehin von Corona-Pandemie und Wirtschaftskrise hart getroffene Land sein. Die libanesische Regierung blieb nach der Explosion tatenlos, während es die Arbeiter*innenklasse war, die die Suche nach Vermissten und die Versorgung Verwundeter organisierte. Die Situation hat erneut gezeigt, dass die Herrschenden nicht in der Lage sind, Krisen zu lösen. Die folgenden Proteste zwangen mittlerweile den alten Ministerpräsidenten zum Rücktritt und auch nach der Ernennung eines neuen Ministerpräsidenten ebbten die Proteste nicht ab. Dennoch sieht man, dass es der Bewegung nicht nur an einer sich selbst als Arbeiter*innenklasse wahrnehmenden Bevölkerung, sondern auch an einer revolutionären Führung mangelt, die in der Lage ist, die Wut auf die amtierende Regierung in eine Wut auf das gesamte kapitalistische System umzuwandeln und die Antworten auf die Frage zu liefern, wie man den Kapitalismus überwinden kann.

Auch in vielen anderen Ländern sieht man, dass sich Menschen gegen Unterdrückung wehren. In Belarus können wir Massenproteste und Generalstreiks gegen die Diktatur und die Auswirkungen der Wirtschaftskrise beobachten. Auslöser war eine gefälschte Wahl seitens des amtierenden Machthabers Lukaschenko. In Bulgarien gibt es Massenproteste gegen Korruption und Justizmissbrauch seitens des Ministerpräsidenten und des Generalstaatsanwaltes. In Thailand protestieren Arbeiter*innen und Studierende gegen die Monarchie und die Militärregierung. In Israel und Palästina gibt es Massenproteste und Streiks von Pflegekräften und Sozialarbeiter*innen gegen die korrupte Regierung, gegen die Unfähigkeit, auf die Corona- Pandemie zu reagieren und gegen die fortschreitende Besetzung des Westjordanlandes.

Perspektiven

Die Corona-Pandemie und Wirtschftaskrise zeigt also erneut, dass der Kapitalismus überholt ist. Während in anderen Teilen der Welt das Bewusstsein schon weiter ist, äußerte sich das Misstrauen gegenüber der Regierung in Deutschland überwiegend in einem Erstarken von Verschwörungstheorien. Linke und Gewerkschaften zeigten sich überwiegend angepasst und verfolgten eine Burgfriedenspolitik. In dem weiteren Verlauf der Krise, in dem es zu weiteren Angriffen auf die Arbeiter*innenklasse kommen wird, wird es unsere Aufgabe sein, diesen Kurs anzugreifen und eine konsequente Opposition zum Kapitalismus aufzubauen. Die Bundestagswahl 2021 wird dafür ein weichenstellendes Ereignis sein. Wir müssen innerhalb der LINKEN gegen die Tendenzen einer Regierungsbeteiligung kämpfen und klar machen, dass sich eine LINKE, die die kapitalistischen Verhältnisse verwaltet, anstatt sie anzugreifen unglaubwürdig und überflüssig macht.