Solidarität mit Afrin und der kurdischen Befreiungsbewegung! Türkische Armee, Islamisten und Imperialisten raus aus Rojava!

Seit dem 20. Januar führt die türkische Armee, unterstützt durch djihadistische Milizen, einen blutigen Feldzug gegen die Region Afrin im Nordwesten Syriens, die unter der Selbstverwaltung der kurdischen Befreiungskräfte um die PYD/YPG steht. Ausgerüstet mit hochmodernem Kriegsgerät, darunter auch Panzern aus deutscher Produktion, gehen die türkische Armee und ihre Verbündeten gnadenlos auch gegen die Zivilbevölkerung vor.
Das Ziel Erdoğans ist es, die in den letzten Jahren entstandene Selbstbestimmung der Kurd*innen in Rojava zu zerschlagen. Damit soll auch die kurdische Befreiungsbewegung in Nordkurdistan geschwächt werden.
Die Kräfte der YPG haben beim Kampf gegen die Banden des IS eine herausragende Rolle gespielt und ihnen gelang es sogar, Raqqa zu befreien. Solange sie das taten, wurden sie vom Westen unterstützt.
Doch inzwischen haben die imperialistischen Mächte die syrischen Kurd*innen längst fallen gelassen. Bezeichnenderweise hat keine von ihnen ernsthaft den Feldzug Erdoğans verurteilt.
Wieder einmal sind die Kurd*innen zum Spielball imperialistischer Interessen geworden, die mit ihnen machen was sie wollen und in die sie keinerlei Vertrauen setzen dürfen.

Manche Linke meinen, in Rojava wäre eine sozialistische Gesellschaft im Aufbau. Das ist sicherlich zu optimistisch. Es ist nicht möglich, in einem (dazu noch wirtschaftlich unterentwickelten, vom Krieg gebeutelten) kleinen Land den Sozialismus zu errichten, nicht einmal der Kapitalismus kann dort isoliert dauerhaft überwunden werden. In der herrschenden Partei PYD kommen verschiedene gesellschaftliche Schichten zusammen, sie sieht sich als „Volks-“, nicht als „Arbeiter*innenpartei“, damit wird das Ziel der nationalen Befreiung der Kurd*innen statt die soziale Befreiung der Arbeiter*innen und armen Bäuer*innen forciert.
Aber was dort trotz permanentem Kriegszustand geschaffen wurde ist beachtlich und verdient die aktive Solidarität der Linken international: Frauen sind rechtlich gleichgestellt, es gibt auf allen Ebenen der Staatsverwaltung eine Quotierung, um Männerdominanz einzuschränken.Auch für verschiedene ethnische und religiöse Minderheiten gibt es spezielle Schutzrechte. In einer von nationalistischen und religiösen Konflikten geplagten Region hat das multiethnische Projekt Rojava das Potenzial, eine vorbildhafte Strahlkraft in die ganze Region zu entwickeln. Genau davor fürchten sich alle anderen relevanten Kräften vor Ort, basiert ihre Herrschaft doch auf Nationalismus, Rassismus, Sexismus, religiösem Sektierertum und anderen Spaltungen.
Der Plan einiger einflussreicher PYD-Politiker*innen, den aktuellen Krieg auch auf türkischem Boden zu führen, bringt große Gefahren mit sich. Bisher sind die Selbstverteidigungseinheiten der YPG und YPJ als Landesverteidigungskräfte aufgetreten – im Gegensatz zu allen anderen Kräften, die Gebietseroberungen und damit die Unterwerfung der Bevölkerung in den eroberten Gebieten zum Ziel hatten. Würden die kurdischen Einheiten zu Angriffskriegen übergehen, würden sie Gefahr laufen, progressive Menschen in den betroffenen Gebieten gegen sich aufzubringen und andere in die Arme der Rechten zu treiben. Der Konflikt ist nicht mit kurdischem Nationalismus und auch nicht militärisch gewinnbar: Stattdessen braucht es einen gelebten Internationalismus. Kurdische Linke und auch wir in Deutschland sollten Anstrengungen unternehmen, den Aufbau sozialistischer Kräfte in der Türkei, in Syrien, im Irak und der ganzen Region zu unterstützen.

Das Projekt Rojava kann auch von Deutschland aus verteidigt werden. Denn Deutschland spielt eine besonders schändliche Rolle. Verbal hat die deutsche Regierung und auch eine Mehrheit des Bundestages die Militäroffensive kritisiert. Zugleich aber spricht das Auswärtige Amt von „legitimen Interessen“ der Türkei und sieht den türkischen Staat weiterhin als Partnerin im Kampf gegen den IS.
Doch faktisch leistet die Bundesregierung Hilfe für Erdoğan. So wurden erneut kurdische Vereine und eine ganze Reihe von kurdischen politischen Symbolen verboten. Der deutsche Staat, der weiter am PKK-Verbot festhält, geht zunehmend repressiv gegen die kurdische Befreiungsbewegung vor.
Die deutsche Regierung hat erneut Rüstungslieferungen an den türkischen Staat genehmigt und treibt damit die Aufrüstung des NATO-Partners kräftig voran. Deutsche Panzer wurden auch beim Angriff auf Afrin verwendet.
Es ist richtig, dass Linke daraufhin eine Reihe von Büros bürgerlicher Parteien besetzten. Das darf aber nur ein erster Schritt hin sein zu einer Bewegung, die die Panzerfabriken und Verladestationen besetzt und so die militärische Unterstützung Deutschlands für die Türkei unmöglich macht. Um da hin zu kommen, tragen wir folgende Vorschläge in die Bewegung:

Wir fordern eine sofortige Beendigung der türkischen Militäroffensive gegen die Kurd*innen! Dafür gehen wir auf die Straße – um unsere Solidarität mit der Bevölkerung in Kurdistan zu zeigen, aber eben auch um Druck auszuüben auf das türkische Regime und seine Verbündeten. Als Sozialist*innen haben wir kein Vertrauen in die „Weltgemeinschaft“ (also die Regierungen der Länder der Welt) oder das Gewissen unserer „eigenen“ Regierung. Zugleich begrüßen wir, dass DIE LINKE die Frage der Solidarität mit Afrin und der deutschen Waffenexporte in den Bundestag getragen hat.
Wir fordern einen sofortigen Stopp aller Rüstungsexporte in die Türkei und anderswo. Dabei versuchen wir als linke Jugendorganisation, auch in Gewerkschaften und Gewerkschaftsjugenden Druck auszuüben und die Frage zu thematisieren. Rüstungsproduktion wird – da von ihr Arbeitsplätze abhängen – von vielen Gewerkschaften nicht grundsätzlich abgelehnt. Nötig ist daher eine Debatte innerhalb der Linken und der Gewerkschaften, wie es gelingen kann, statt Rüstungsgütern gesellschaftlich sinnvolle Produkte herzustellen. Dazu braucht es die demokratische Kontrolle der lohnabhäggigen Bevölkerung über die Konzerne und Produktionsstätten. Wir fordern die Enteignung aller Rüstungsunternehmen!
Wo es möglich ist, unterstützen wir Versuche, die Verladung von Rüstungsmaterial zu blockieren und beteiligen uns daran. Wenn diese Form des direkten Widerstandes gegen die Kriegsmaschinerie mehr als eine symbolische Wirkung entfalten soll, braucht es dazu eine Massenbewegung. Wir betrachten politische Streiks als wirksamstes Mittel zur Verhinderung bzw. Verzögerung von Rüstungslieferungen. Für den Aufbau einer solchen breiten Massenbewegung treten wir ein und ergreifen nach Kräften Initiativen dafür.
Das Verbot der PKK und anderer kurdischer Organisationen muss sofort aufgehoben werden! Alle Verfahren, die gegen Menschen wegen Unterstützung, Sympathiebekundungen und Benutzung von Symbolen bestehen müssen eingestellt werden, alle bereits gefällten Urteile revidiert werden.
Im Sinne internationaler Solidarität suchen wir die enge Zusammenarbeit mit fortschrittlichen kurdischen Organisationen und ebensolchen in der Türkei und den anderen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens. Wir wollen einen politischen Austausch und gemeinsame Demonstrationen.
Da wir auf die bürgerlichen Regierungen nicht vertrauen können, müssen wir als Linke – auch mit den bescheidenen Mitteln, die wir haben – praktische Solidarität organisieren: Durch Spendenaktionen, von unten organisierte Hilfslieferungen und öffentlichkeitswirksame Kampagnen zur Aufklärung über die Lage in Kurdistan und zur Hilfe für die Genoss*innen.

In diesem Sinne: Hoch die internationale Solidarität!
Für den Sofortigen Abzug aller türkischen Truppen und der mit ihnen verbündeten djihadistsichen Milizen aus Rojava!
Stopp aller Waffenexporte!
Stopp der militärisch-industriellen Zusammenarbeit mit Erdoğan! Nein zur NATO!
Alle imperialistischen Mächte raus aus Kurdistan und Nahost!
Weg mit Verbot und Kriminalisierung von PKK, PYD/YPG und allen anderen fortschrittlichen kurdischen Organisationen! Schluß mit der Kriminalisierung von Aktivist*innen!
Freilassung aller politischen Gefangenen!
Alle imperialistischen Mächte raus aus Kurdistan, Syrien, Irak und der ganzen Region!
Kein Vertrauen in die internationale Diplomatie und Regierungen!
Für konkrete Solidarität von unten und Hilfsmaßnahmen organisiert durch linke Parteien und Gewerkschaften!

Dieser Text wurde auf der Landesvollversammlung am 24./25. Februar in Hamm beschlossen.