Für Klimaschutz und gute Arbeit! RWE & Co enteignen!

Für Klimaschutz und gute Arbeit! RWE & Co enteignen!

In den letzten Jahren hat sich eine starke Bewegung gegen die fortschreitende Klimazerstörung entwickelt. Große Teile der Jugend haben erkannt, dass die Zerstörung des Klimas für immer mehr Menschen auch die Zerstörung der Lebensgrundlage bedeutet. Zurecht wehren sie sich dagegen. Doch über den Ausweg gibt es wenig Klarheit.

Bürgerliche Politiker:innen und auch Teile der Klimagerechtigkeits-Bewegung wollen uns – in trauter Einigkeit mit Konzern-Chefs – erklären, dass alle Menschen gleichsam verantwortlich seien für den Klimawandel. Sie versuchen, einen Widerspruch herbeizureden zwischen der Forderung nach ambitionierten Maßnahmen für wirksamen Klimaschutz und Konsum-Bedürfnissen. Sie sagen, wer es ernst meint mit dem Klimaschutz müsse „bei sich selbst anfangen“, dürfe nur noch regionale Lebensmittel und vegan essen, nicht mehr in den Urlaub fliegen, sollte weniger heizen und so weiter. Besonders trübe Blüten treibt das bei manchen Aktivist:innen, die Arbeitende in klimaschädlichen Branchen persönlich angreifen. Slogans wie „There are no jobs on a dead planet“ stellen Arbeitende beispielsweise in der Kohle-Industrie vor ein moralisches Dilemma und die Wahl: Entweder behält man Job und Einkommen, sorgt aber mit dafür, dass der Klimawandel voranschreitet und die Erde für künftige Generationen ein unfreundlicher Ort wird. Oder man kündigt den Job, verliert damit auch sein Einkommen und stürzt im schlimmsten Fall neben sich auch seine Familie unmittelbar in Armut.

Wir lehnen solche individualisierenden, konsumkritischen Pseudo-Lösungen ab. Sie vertiefen die unnötige Spaltung zwischen Klima- und Arbeiter:innenbewegung. Wir sehen keinen Widerspruch zwischen Klimaschutz und guten Jobs. Wir finden auch beides wichtig und legitim – sowohl ein für den Menschen funktionierendes Klima, als auch ein sicheres Einkommen sind essentiell für ein sicheres, planbares, gutes Leben. Vor allem aber bieten solche Schuldzuweisungen überhaupt keinen realistischen Lösungsansatz: Die großen Klimakiller sind nicht wir Konsument:innen. Die großen Konzerne sind für einen Großteil der Emissionen verantwortlich. Laut einer Studie der Non-Profit-Organisation Carbon Disclosure Project sind 100 Konzerne für 71% der Treibhausgasemissionen auf der Erde verantwortlich. Sie freuen sich, wenn Konsument:innen sich gegenseitig verantwortlich machen und sie nicht ins Blickfeld geraten.

Manche argumentieren, dass industrielle Produktion zu großen Teilen individuellen Konsum zum Ziel hat. Das Baugewerbe stellt u.a. Wohnraum für Menschen her, die Lebensmittelindustrie Essen, chemische Produkte kommen in Privathaushalten zum Einsatz oder in Arbeitsstätten, die Dienstleistungen oder Güter für den privaten Gebrauch herstellen, selbst Autos werden oft von Endkonsument:innen gefahren oder für Unternehmen, die letztlich dem Konsum dienen. Es gibt Ausnahmen wie die Rüstungs-Industrie, die nicht unterschätzt werden sollten, aber im großen und Ganzen ist an der Argumentation etwas dran. Jedoch ist am Konsum auch erstmal nichts verwerflich. Wir Sozialist:innen wollen Wohlstand für alle, keinen technischen Rückschritt. Aber wir wollen keinen zerstörerischen Kapitalismus. Die kapitalistische Produktionsweise zerstört das Klima. Und dabei hat sie noch nicht einmal die Befriedigung unserer Bedürfnisse im Sinn, sondern nur die Profitmaximierung der Banken, Konzerne und Superreichen. Getrieben durch den Konkurrenzdruck werden immer mehr (oft minderwertige) Produkte auf den Markt geworfen. In der Produktion wird gespart, wo es geht – bei den Löhnen, bei der Arbeitssicherheit, beim Umweltschutz. Geltende Gesetze werden oft strapaziert oder gar umgangen. Es werden viel mehr Produkte auf den Markt geworfen als eigentlich benötigt sind – der Überschuss wird vernichtet. Im Kapitalismus gibt es Mangel im Überfluss: Wer nicht das nötige Geld hat, darf zusehen wie die Güter, für die das Geld fehlt, vernichtet werden. Es entstehen sogar Wirtschaftskrisen von globalem Ausmaß, weil die Konzerne ihre Güter nicht verkauft bekommen. All das während Menschen hungern, obdachlos sind, keinen Zugang zu sauberem Wasser oder lebenswichtigen Medikamenten haben.

Das Problem ist nicht der individuelle Konsum. Das Problem sind nicht die Menschen, die arbeiten gehen müssen – und aus Mangel an guten Alternativen ihre Arbeitskraft an Klimakiller-Konzerne verkaufen. Das Problem sind die Banken und Konzerne und ihr kapitalistisches System. Karl Marx hat das Wesen ihrer Handlungen, ihr zwangläufiges Streben nach möglichst schnellem Profit, im ersten Band seines Monumentalwerks „Das Kapital“ bereits 1867 zusammengefasst: „Après moi le déluge! [Nach mir die Sintflut!] ist der Wahlruf jedes Kapitalisten und jeder Kapitalistennation.“

Wir wollen das Problem an der Wurzel packen, den Kapitalismus überwinden und durch eine sozialistische Ordnung ersetzen. Dann würde nicht mehr der Profit der Motor der Wirtschaft sein, sondern die Bedürfnisse von Mensch und Natur würden in den Mittelpunkt rücken. Dafür ist es notwendig, sich offensiv mit den Banken und Konzernen, mit dem Privateigentum an Produktionsmitteln anzulegen. Deswegen fordern wir: RWE und Co enteignen!

Wir sind damit nicht alleine. In Teilen der Klimagerechtigkeitsbewegung setzen sich solche radikaleren, teilweise antikapitalistischen Schlussfolgerungen durch. Das begrüßen wir ausdrücklich. Jetzt haben sich ein paar Akteure der Klimagerechtigkeitsbewegung zur Kampagne „RWE und Co enteignen!“ zusammengetan, mit dem Ziel an den beeindruckenden Erfolg der Berliner Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen!“ anzuknüpfen. Wir meinen, dass das ein guter Schritt ist und auch, dass eine solche Kampagne großes Potenzial hat. Wir unterstützen das Kernanliegen der Kampagne und bieten unsere Unterstützung an. Wir werden uns auch in unserer Partei DIE LINKE dafür einsetzen, dass sie die Forderung nach der Enteignung großer Energiekonzerne endlich übernimmt.

Wir finden es richtig, dass Strom als ein Grundbedürfnis in den Mittelpunkt gestellt wird, zu dem alle Menschen Zugang haben sollten. Das widerspricht der Marktlogik, wonach nur Zugang bekommt, wer auch dafür zahlen kann und dies tut. Und tatsächlich wurden 2019 etwa 300.000 Haushalte in Deutschland vom Stromnetz abgeklemmt, fast fünf Millionen wurde damit gedroht. Wir finden es auch richtig, dass erklärt wird, dass Unternehmen, die Grundbedürfnisse bedienen, in öffentliche Hand gehören und demokratisch verwaltet werden sollten, auch wenn weitgehend offen bleibt wie das konkret aussehen soll. Auch die Frage von Arbeitsplätzen wird angesprochen. Konkret wird erklärt, dass die Enteignung der Energiekonzerne und demokratische Entscheidungsprozesse „eine ökologische Energieversorgung, die Schaffung guter und fair bezahlter Arbeitsplätze sowie der bedürfnisgerechte Zugang aller Menschen zur Ressource Strom gewährleisten“ können. In der Allgemeinheit würden wir dem zustimmen.

In anderen Teilen der Forderungen zieht die Kampagne den Brückenschlag zur Klima-Frage und fordert den Ausstieg aus der fossilen Energie, statt Kohle, Öl oder Gas zu verbrennen soll die Energie ausschließlich ökologisch gewonnen werden. Es wird ausführlich erklärt welch desaströse Folgen der Klimawandel hat und dass er u.a. durch die Verbrennung von Braunkohle und anderen fossilen Energieträgern angefeuert wird.

Wir unterstützen natürlich die Forderung nach einem vollständigen Umstieg auf regenerative Energien und einen möglichst sofortigen Kohle-Ausstieg. Auch glauben wir, dass er sehr schnell möglich ist, wenn nicht nur die Alternativen ausgebaut werden, sondern auch die industrielle Überproduktion abgebaut wird. Aber wir finden es sehr wichtig, hier sie soziale Lage der Beschäftigten in den betroffenen Bereichen nicht zu vergessen. Der Kampf für radikalen Klimaschutz wird nicht leichter, wenn die zigtausend Beschäftigten in klimaschädlichen Branchen in der Klimagerechtigkeitsbewegung eine Bedrohung für ihre Arbeitsplätze und damit ihre Existenzgrundlage sehen. RWE-Beschäftigte folgten aus dieser Sorge zu Tausenden einem Demo-Aufruf ihrer Gewerkschaft IG BCE und protestieren gegen eine zu radikale Klima-Politik. Wir wiederholen: Umwelt und Arbeit sind kein Widerspruch. Die riesigen Gewinne der Klimakiller-Konzerne und die Vermögen ihrer Bosse und Aktionäre sollten nicht nur herangezogen werden, um den notwendigen ökologischen Wandel zu finanzieren, sondern auch um allen Beschäftigten, deren Jobs dadurch bedroht sind, mindestens gleichwertige Ersatzarbeitsplätze zu garantieren! Das ist keine Kleinigkeit, sondern eine Frage, an der die Spaltung von Klima- und Gewerkschaftbewegung entweder vertieft, aber auch verkleinert werden kann.

Außerdem glauben wir, dass eine solche Kampagne, wenn sie eine größere Relevanz erreichen soll, auf eine breitere Basis gestellt werden muss. Für die nächsten Monate und Jahre wünschen wir uns offene Diskussionsprozesse und Kampagne-Kongresse, wo die zentralen Forderungen und Strategien, aber auch ganz grundsätzlich Alternativen zum aktuellen kapitalistischen Wahnsinn diskutiert werden können. Es muss den Platz geben, die recht allgemein gehaltenen, richtigen Forderungen konkret auszugestalten, verschiedene Ideen und Ansätze dazu zu diskutieren.

Auch sind transparente Strukturen und nachvollziehbare Entscheidungsfindungen wichtig. Derzeit ist nicht öffentlich ersichtlich, wer hinter der Kampagne steht, wie sie arbeitet und wie sie sich finanziert. Das kann einerseits das Vertrauen trüben, vor allem aber auch die Möglichkeit für potenzielle Unterstützer:innen, sich einzubringen, erschweren.

Die Gründung der Kampagne „RWE und Co enteignen“ ist ein richtiger und längst überfälliger Schritt. Wir bieten den Akteur:innen, die dahinter stehen, Unterstützung an und freuen uns, in den nächsten Monaten und Jahren gemeinsam die Eigentumsfrage offensiv in den Mittelpunkt zu stellen.

Hier geht zur Kampagne „RWE & Co enteignen!

Dieser Text wurde bei der Landesvollversammlung am 14. November 2021 beschlossen.