Nach den Bundestagswahlen

Nach den Bundestagswahlen

Das Ergebnis der Bundestagswahlen war für Viele ein Schock. Die LINKE wäre mit 4,9 % nicht in den Bundestag eingezogen, hätte sie nicht drei Direktmandate gewonnen. Dies hätte bedeutet, dass es im Bundestag keine linke Opposition zum politischen Establishment gegeben hätte. Das Ergebnis ist ein herber Schlag für die LINKE und eine Warnung. Im Folgenden wollen wir die Wahlen kurz auswerten und Schlussfolgerungen für unsere kommenden Aufgaben ziehen.

Auch bei dieser Wahl sind wieder fast 25% der Menschen nicht zur Wahl gegangen, weil keine der antretenden Parteien für sie eine glaubwürdige Alternative darstellt oder sie sich vom politischen System ausgeschlossen fühlen – Die da oben machen schließlich eh was sie wollen. Bei dieser Wahl hat sich auch eine größere Zahl an Wähler:innen für verschiedene Kleinstparteien entschieden, die eh nicht in den Bundestag einziehen, als sonst. Zusammen mit den Nichtwähler:innen zeigt dies die Entfremdung vom politischen Establishment. Die CDU/CSU wurde von den Wähler:innen abgestraft und erlangte mit 24,1 % das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Die Grünen konnten ihr zeitweiliges Umfrage-Hoch nicht halten, erreichten mit 14,9 % aber trotzdem einen deutlichen Zugewinn. Die FDP konnte an ihr vorheriges Wahlergebnis anknüpfen. Die SPD erlangte einen kleinen Aufschwung und ging als anscheinender Sieger aus der Wahl, aber 25,7 % sind noch immer ihr drittschlechtestes Ergebnis der Nachkriegsgeschichte. Während des Wahlkampfes präsentierte sich die SPD in Worten als Kämpferin für soziale Gerechtigkeit, während sich ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz meist zurückgehalten hat. Dass SPD und Grüne keine linke oder umweltfreundliche Alternative sind zeigte sich bereits in den ersten Sondierungsgesprächen deutlich. Nur wenige Wochen nach der Wahl sind SPD und Grüne bereit ihre Wahlversprechen aufzugeben, um mit der FDP eine Regierung zu bilden. Egal welche Koalition am Ende an die Macht kommt, klar ist, dass es außer vielleicht ein paar kosmetischen Veränderungen keine weitreichenden Verbesserungen für die Mehrheit der Menschen geben wird. Stattdessen wird die sich entwickelnde Krise dazu führen, dass die herrschenden Parteien die Interessen des Kapitals gegen die Arbeiter:innenklasse durchsetzen werden. Dagegen müssen wir Widerstand organisieren. Und das ist auch die Aufgabe der LINKEN, die als Verliererin aus der Wahl gegangen ist.

Das Ergebnis der LINKEN hat mehre Ursachen. Hauptgrund ist, dass die LINKE sich nicht als glaubwürdige Alternative zum herrschenden Establishment präsentieren konnte – obwohl man meinen sollte, dass eine linke Partei in Zeiten von Krisen Erfolge verzeichnen sollte. Ihr stärkstes Ergebnis hatte die LINKE im Zuge der Weltwirtschaftskrise 2007-09, als sie mit 11,9% in den Bundestag einzog. Aber das Ergebnis hat die LINKE in den folgenden Jahren nicht genutzt, um sich weiter zu verankern und Kämpfe anzuführen. Gleichzeitig hat sie in Landesregierungen im Widerspruch zu ihren eigenen Programm gehandelt und Abschiebungen, Privatisierungen und die kapitalistische Sachzwanglogik mitgetragen. Während der Corona-Krise hat sich die LINKE nicht von den anderen Parteien abgehoben und die Bundestagsfraktion ist einen „Burgfrieden“ mit der Regierung eingegangen, statt linke Kritikerin der Corona-Politik zu werden – und zu kritisieren gab es viel! Während des Wahlkampf wurde sich über das beschlossene Wahlprogramm hinweggesetzt und ein Papier präsentiert, dass sich an die Grünen und die SPD richtete. Darin wurde erklärt, was unsere Partei bereit sei aufzugeben, um Teil einer Rot-Grün-Roten Koalition zu werden. Statt einen eigenständigen oppositionellen Wahlkampf zu führen, hat die Führung der LINKEN sich an SPD und Grüne angebiedert. Das hat dazugeführt, dass die Wähler:innen lieber das Original, statt dem linken Feigenblatt gewählt haben. Auch die Causa Wagenknecht hat zu dem Ergebnis beigetragen: Sahra Wagenknecht, die sich schon in der Vergangenheit öffentlich gegen das beschlossene Programm der LINKEN positionierte, brachte noch wenige Tage vor der Listenaufstellung in NRW mit ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ ein Gegenprogramm zu den Grundsätzen der Partei heraus und sorgte mit ihren Aussagen, dass Aktivist:innen verschiedener Bewegungen ihr Vertrauen in die Partei verloren haben. Man kann noch viele weitere Punkte aufzählen – zum Beispiel, dass Oskar Lafontaine im Saarland dazu aufgerufen hat nicht die LINKE zu wählen – aber des Pudels Kern ist, dass die LINKE eher verzweifelt auf Wähler:innenfang war, statt eine sozialistische Alternative zum kapitalistischen Establishment zu präsentieren und in die Gesellschaft zu tragen. Das Ergebnis des Berliner Volksentscheids zur Enteignung großer Immobilienkonzerne zeigt deutlich, dass die Menschen sich für ihre Interessen entscheiden, wenn ihnen deutliche politische Angebote gemacht werden.

Unsere Aufgabe als Jugendverband ist es, in die Debatten innerhalb der Partei zu intervenieren und zu erklären, was für eine LINKE wir brauchen: Eine Partei mit klar sozialistischem Profil, die in harter Opposition zu den etablierten Parteien und dem kapitalistischen System steht. Sie muss sich in den Bewegungen, Protesten und Gewerkschaften verankern, ihre Stimme in den Parlamenten werden und Vorschläge für die Entwicklung und Verbindung dieser Kämpfe machen. Als linksjugend [’solid] NRW können wir mit unserem Landesverband und den einzelnen Basisgruppen positive Beispiele setzen, wie linke Politik konkret aussehen sollte. Wir kämpfen nicht für Wähler:innenstimmen der Wähler:innenstimmen wegen. Wir wollen Menschen für eine sozialistische Politik und solidarische Welt gewinnen und für den gemeinsamen Kampf organisieren.

Dieser Text wurde bei der Landesvollversammlung am 5.-7- November 2021 beschlossen.